Wie in anderen Ländern wird auch in der Schweiz kaum mehr bestritten, dass Verantwortliche in der katholischen Kirche über sehr lange Zeit sexuellen Missbrauch sowie Anwendung exzessiver Gewalt systematisch vertuscht oder bagatellisiert haben. Deshalb erhielt zur Gewährung der Unabhängigkeit die Universität Zürich von der Römisch-katholischen Kirche (das heisst unter anderen von der Schweizer Bischofskonferenz und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz) den Auftrag zur Untersuchung, zunächst im Rahmen einer Pilotstudie und nach Definition der Vorgehensweise zu einer Anschluss-Studie.
Ziel des Projekts war ein erster Schritt für die Erforschung des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche auf gesamtschweizerischer Ebene. Das Projekt verfolgte verschiedene Ziele wie: Stand der Dokumentation und Erforschung des sexuellen Missbrauchs im Kontext der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz sowie der Bestrebungen zu ihrer Verfolgung und Vermeidung darstellen; anhand ausgewählter Fallbeispiele klären, welche Quellen dafür zur Verfügung stehen und wie zugänglich diese sind; Grundlagen für weitere Forschung klären und anhand geeigneter Fallbeispiele auf ihre Tauglichkeit hin überprüfen.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Pilotprojekt der Universität Zürich im September 2023 bekannt geworden durch Veröffentlichung des betreffenden Berichts. In der Folge kam es unmittelbar zu einem starken der Anstieg der Anzahl Kirchenaustritt, neben der römisch-katholischen Kirche eher überraschend auch bei der evangelisch-reformierten Kirche, exemplarisch hier dargestellt für Zürich und Luzern.
Der veröffentlichte Schlussbericht zum Pilotprojekt zur Erforschung Missbrauch in der katholischen Kirche ist hier einsehbar.
Die in eher nüchternem Protokoll-Stil gehaltenen Fallstudien geben nur sehr bedingt wieder, welche Lebenstragödie der sexuelle Missbrauch für Betroffene vielfach darstellt. Da geht in Kindheit oder Jugend das ganze Leben brutal bachab.
Zwei unbedingt zum Lesen empfohlene Lebens- und Leidensgeschichten:
"Als Kind wird Clara D. sexuell misshandelt. Als Teenager findet sie Zuflucht in einem Kloster bei Wien. Dort schwängert sie ein Geistlicher. Ihre Zwillinge
werden ihr weggenommen."
Der lange Missbrauch der Clara D.
"Viele Missbrauchsopfer leiden ein Leben lang an den Folgen der Taten. Bernd rieb sich in der Bewältigung und im Kampf um Anerkennung auf - bis zu seinem Tod."
Bernds Vermächtnis
Auf der selben Seite sind auch die Eckpunkte für das nun gestartete Folgeprojekt publiziert: Anfang Januar 2024 hat das Forschungsteam der Universität Zürich seine Arbeit für die weitere Erforschung des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche der Schweiz aufgenommen. Die Resultate werden 2027 präsentiert.
Die katholische Kirche im Kanton Zürich ist schon vor einiger Zeit tätig geworden mit der Initiative für das Meldesystem "Kirche schaut hin": Mit dieser Initiative, die eine anonyme und niederschwellige Meldung von Fehlverhalten im kirchlichen Umfeld ermöglicht, kann frühzeitig Fehlverhalten aufgedeckt werden. Das Meldesystem ermöglicht, Hinweise auf mögliche Vorfälle oder Verdachtsfälle von Fehlverhalten anonym und sicher zu geben.
Eine ähnliche Initiative wie die römisch-katholische Kirche hat auch die evangelisch-reformierten Kirche im Kanton Zürich ins Leben gerufen. Die Informationen das zu sind auf der Website der reformierten Kirche im Kanton Zürich zu finden.
Dort abrufbar ist der Verhaltenskodex "Respektvoller Umgang und Schutz vor Grenzverletzungen", mit welchem für alle transparent die Vorgaben für korrekten Umgang miteinander beschrieben sind. Ebenfalls auf dieser Seite sind auch die Möglichkeiten zur Meldung von übergriffigem Verhalten bei kirchlichen Vertrauenspersonen oder unabhängigen Stellen.
Aktuell ist Anfang 2024 die Studie zu Missbrauchsfällen in der Evangelischen Kirche veröffentlicht worden:
"Mehr als 9'000 Minderjährige wurden seit 1946 in der evangelischen Kirche und Diakonie sexuell missbraucht. Davon geht eine aktuelle Studie aus.
Die Forscher mussten auf Hochrechnungen zurückgreifen, da etliche Akten nicht zur Verfügung standen."
Tausende Missbrauchsfälle in der Evangelischen Kirche