Der insbesondere von bestimmten kirchlichen Kreisen geäusserte Kerngedanke gegen das heutige Kirchensteuer-System in der Schweiz ist: Die Kirchen sind unfrei, solange die Kirchen Steuern erheben und vom Staat einziehen lassen. Echt christlich geprägte Gemeinschaften sollten von sich aus darauf verzichten.
Durch den wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahrzehnte ist in der Schweiz der Ertrag der Landeskirchen weiter steigend, während die Zahl der Kirchenmitglieder insbesondere über Abgänge via Kirchenaustritt stetig zugenommen haben, ein Faktum bei dem der Vorwurf keineswegs abwegig erscheint, die christlichen Institutionen hätten sich weit von ihrem ursprünglichen Sinn entfernt. Die einst echten Glaubensgemeinschaften wandelten sich im Laufe der Zeit zu Vermögensverwaltungen mit religiösem Anstrich. Weite obligartorische Kirchensteuern wie beispielsweise für Firmen im Kanton Bern machen die Sache nicht besser.
Nicht nur deshalb erscheint es sinnvoll, dass die Kirchensteuer abgeschafft wird. Pro Jahr verlassen in der Schweiz über 60'000 Personen formell die Kirche. Das sind die Personen die sich aktiv per Kirchenaustritt gegen die Kirchenmitgliedschaft entschieden haben. Der demographische Faktor der Überalterung ist hier nicht eingeschlossen. Im Verhältnis zu Geburten und Todesfällen ist aber die Zahl der Kirchenaustritte zum dominierenden Faktor geworden.
Über die Hälfte der befragten Schweizerinnen und Schweizer halten die Kirchensteuer laut einer Umfrage für nicht mehr zeitgemäss. Im vergangenen Jahr betrugen die Einnahmen aus der Kirchensteuer insgesamt etwa 2 Milliarden Franken. Dank einer florierenden Wirtschaft und auch aufgrund von Zuwanderung in die Schweiz sind die Kirchensteuer-Einnahmen auf Rekordhoch.
Es gibt zahlreiche individuelle Gründe für den Austritt, aber die Kirchensteuer steht weit oben auf der Liste. Laut einer in Deutschland vielbeachteten "Austrittsstudie" von 2022 des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche gaben 71 Prozent der ehemaligen Protestanten an, dass die Einsparung der Kirchensteuer einer der Hauptgründe für ihren Austritt war. Dies deckt sich auch mit anderen Studien und Umfragen in der Schweiz. Im übrigen das man hier nicht nur die Römisch-katholische durch die Kirchenaustritte in Bedrängnis geratend sehen, auch die Evanglische-reformierte Kirche ist von Austrittswellen nicht verschont.
Die effektive und in der Regel auch unwiederbringliche Abwendung vom Glauben erfolgt gemäss den Umfrageergebnissen viel weniger schnell. Die austretenden Personen identifizieren sich persönlich weiterhin mit dem christlichen Glauben. Es sind Christen, deren offiziell registrierter Konfessions-Eintrag nun "konfessionslos" lautet.
Zwar erhebt das Bundesamt für Statistik auch Zahlen, welche das effektive religiöse Zugehörigkeitsgefühl ermitteln. Ohnehin wird beim Einwohneramt muslimischer Glaube, hinduistischer Glaube etc. nicht erfasst. Liegt keine Steuerpflicht vor, so wird "konfessionslos" beziehungsweise "unbekannt" erfasst. Bei der sogenannten "Religionslandschaft" des Bundesamts für Statistik ist dann der christliche Anteil in der Bevölkerung etwas höher als bei den kirchensteuer-relevanten Einträgen beim Einwohneramt.
Vermutlich ist der Anteil nochmals deutlich höher von Personen, welche persönlich im Privaten sich mit dem christlichen Glauben identifizieren. Aber diese Personen wissen: Sie haben sich per Kirchenaustritt aus der Kirche verabschiedet. Das hat so nachhaltige Spuren hinterlassen, dass sie sich teilweise nicht einmal bei der Erhebung des Bundesamts für Statistik getrauen sich als Christen zu bezeichnen, zu gross ist die Befürchtung von Amtes wegen wieder als Kirchenmitglied eingestuft zu werden. Der Kirchenaustritt fördert sich zuerst nach aussen und schliesslich auch innerlich sich vom Christentum loszusagen.
Als synonym ausgedrückt: Das heutige Kirchensteuer-System fördert sich zuerst nach aussen und schliesslich auch innerlich sich vom Christentum loszusagen. Eine Katastrophe.
Erstens muss man zunächst ganz klar sagen, die Kirchensteuer-Systeme in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich sind ein Ausnahmeerscheinung in der Welt. Im grössten Teil der Welt gibt es dies nicht, reale Anschauungs-Beispiele gibt es in der Welt also viele.
Zweitens ist auch in der Schweiz die Situation vom Kanton abhängig. Es sind genau genommen nur Deutschland, Österreich und die Deutschschweiz, welche das strikte Kirchensteuer-Regime haben. In der Westschweiz und im Tessin gibt es in der Regel die Kopplung Kirchenaustritt und Beendigung der Kirchensteuerpflicht nicht.
Der christliche Gedanke sollte sein, dass die Starken die Gemeinschaft stärken. Wer die Strahlkraft de Glauben stärken will, sollte sich einsetzen dies zu unterstützen. Wer Geld hat mit Geld, wer Zeit hat mit Zeit, wer einen Beitrag leisten kann, trägt etwas bei.
Die Kirchen haben sich quasi das Monopol an der Bibel gesichert, um Kirchensteuern eintreiben zu können. Wer keine Kirchensteuern bezahlen will hat den Eindruck quasi dem christlichen Glauben abschwören zu müssen. "Quasi" weil das alles doch vermeintlich ist: Die Kirchen haben die Bibel nicht geschrieben und in der Bibel sind die Kirchen nicht beschrieben. Kommt einem da nicht irgendwie die Tempelreinigung Jesu in den Sinn?